Die spanische Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) erhob vor der   Audiencia   Nacional   (Nationaler   Gerichtshof,   Spanien) eine   Klage   auf   Feststellung   der   Verpflichtung  der  Deutsche  Bank  SAE,  ein  System  zur  Erfassung  der  von  deren  Mitarbeitern  geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten. Sie vertritt die Auffassung, dass mit diesem System die Einhaltung  der  vorgesehenen  Arbeitszeit  und  der  in  den  innerstaatlichen  Rechtsvorschriften  vorgesehenen   Verpflichtung,   den   Gewerkschaftsvertretern   die   Angaben   über   die   monatlich   geleisteten  Überstunden  zu  übermitteln,  überprüft  werden  könne. Nach  Auffassung  der  CCOO  ergebe  sich  die  Verpflichtung  zur  Einrichtung  eines  solchen  Registrierungssystems  nicht  nur  aus  den  innerstaatlichen  Rechtsvorschriften,  sondern  auch  aus  der  Charta  der  Grundrechte  der  Europäischen  Union  (im  Folgenden:  Charta)  und  der  Arbeitszeitrichtlinie1.  Die Deutsche  Bankmacht geltend, der Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberstes Gericht, Spanien) lasse sich entnehmen, dass das spanische Recht keine solche allgemeingültige Verpflichtung vorsehe. Nach dieser Rechtsprechung schreibe das spanische Gesetz nämlich, sofern nichts anderes vereinbart worden sei, nur die Führung einer Aufstellung der von den Arbeitnehmern geleisteten Überstunden sowie   die   Übermittlung   der   Zahl   dieser   Überstunden   zum   jeweiligen   Monatsende   an   die   Arbeitnehmer und ihre Vertreter vor.Die Audiencia Nacional hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der Auslegung des spanischen Gesetzesdurch  das  Tribunal  Supremo  mit  dem  Unionsrecht  und  hat  den  Gerichtshof dazu befragt.  Dem Gerichtshof   vorgelegten   Informationen   zufolge   werden   53,7 %   der   in   Spanien   geleisteten Überstunden  nicht  erfasst.  Darüber  hinaus  halte  es  das  spanische  Ministerium  für  Beschäftigung  und  soziale  Sicherheit  zur  Feststellung,  ob  Überstunden  geleistet  worden  seien,  für  erforderlich,  die Zahl  der  gewöhnlich  geleisteten  Arbeitsstunden  genau  zu kennen.  Die  Audiencia  Nacional  weist darauf hin, dass mit der Auslegung des spanischen Rechts durch das Tribunal Supremo zum einen  die  Arbeitnehmer  ein  wesentliches  Beweismittel, mit  dem  sie  dartun  könnten,  dass  ihre  Arbeitszeit   die   Höchstarbeitszeit   überschritten   habe,   und   zum   anderen   ihre Vertreter die erforderlichen  Mittel für  die  Überprüfung  der  Achtung  der  in  dem  Bereich  anwendbaren  Regelnverlören. Daher   könne   das   spanische   Recht   nicht   die   tatsächliche Einhaltung   der   in   der   Arbeitszeitrichtlinie und der Richtlinie über die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit 2 vorgesehenen Verpflichtungen gewährleisten.  Mit seinem heutigen Urteil erklärt der Gerichtshof, dass diese Richtlinien im Licht der Charta einer  Regelung  entgegenstehen,  die  nach  ihrer  Auslegung  durch  die  nationalen  Gerichtedie  Arbeitgeber  nicht  verpflichtet,  ein  System  einzurichten, mit  dem  die von  einem  jeden  Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.Der Gerichtshof weist zunächst auf die Bedeutung des Grundrechts eines jeden Arbeitnehmers auf eine  Begrenzung  der  Höchstarbeitszeit  und  auf  tägliche  und  wöchentliche  Ruhezeiten  hin,  das  in  der  Charta  verbürgt  ist  und dessen Inhalt  durch die Arbeitszeitrichtlinie weiter  präzisiert  wird  .  Die  Mitgliedstaaten  müssen  dafür  sorgen,  dass  den  Arbeitnehmern  die  ihnen  verliehenen  Rechte  zugutekommen,  ohne  dass  die  zur  Sicherstellung  der  Umsetzung  der  Richtlinie  gewählten  konkreten  Modalitäten  diese  Rechte  inhaltlich  aushöhlen  dürfen. Insoweit  ist  zu  berücksichtigen, dass  der  Arbeitnehmer  als  die  schwächere  Partei  des  Arbeitsvertrags  anzusehen  ist,  so  dass  verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegt.Der  Gerichtshof  stellt  fest,  dass  ohne  ein  System,  mit  dem  die tägliche  Arbeitszeit  eines  jeden  Arbeitnehmers gemessen  werden  kann,  weder  die  Zahl  der  geleisteten  Arbeitsstunden  und  ihre  zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden kann, so  dass  es  für  die  Arbeitnehmer  äußerst  schwierig  oder  gar  praktisch  unmöglich  ist,  ihre  Rechte  durchzusetzen.Die objektive und verlässliche Bestimmung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit ist nämlich für  die  Feststellung,  ob  die  wöchentliche  Höchstarbeitszeit  einschließlich  der  Überstunden  sowie  die   täglichen   und   wöchentlichen   Ruhezeiten   eingehalten worden   sind,   unerlässlich. Der Gerichtshof vertritt  daher  die  Auffassung,  dass  eine  Regelung,  die  keine  Verpflichtung  vorsieht,  von  einem  Instrument  Gebrauch  zu  machen,  das  diese  Feststellung  ermöglicht,  die  praktische Wirksamkeit  der  von  der  Charta  und  von  der  Arbeitszeitrichtlinie  verliehenen  Rechte  nicht gewährleistet,  da  weder  die Arbeitgeber  noch  die Arbeitnehmer  überprüfen  können,  ob  diese  Rechte  beachtet  werden.  Eine  solche  Regelung  könnte  daher  das  Ziel  der  Richtlinie, das  darin  besteht, einen   besseren   Schutz   der   Sicherheit   und   der   Gesundheit   der   Arbeitnehmer   sicherzustellen, gefährden, und   zwar   unabhängig   von   der   nach   dem   nationalen   Recht   vorgesehenen  wöchentlichen  Höchstarbeitszeit. Dagegen bietet  ein  Arbeitszeiterfassungssystem  den Arbeitnehmern ein besonders wirksames Mittel, einfach zu objektiven und verlässlichen Datenüber  die  tatsächlich  geleistete  Arbeitszeit  zu  gelangen,  und  erleichtert  dadurch  sowohl  den Arbeitnehmern den Nachweis einer Verkennung ihrer Rechte als auch den zuständigen Behörden und nationalen Gerichten die Kontrolle der tatsächlichen Beachtung dieser Rechte. Um die praktische Wirksamkeit der von der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta verliehenen Rechte zu  gewährleisten,  müssen  die  Mitgliedstaaten  die  Arbeitgeber  daher  verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden  Arbeitnehmer  geleistete  tägliche  Arbeitszeit  gemessen  werden  kann.  Es  obliegt  den Mitgliedstaaten,  die  konkreten  Modalitäten  zur  Umsetzung  eines  solchen  Systems,  insbesondere  der von ihm anzunehmenden Form, zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des  jeweiligen  Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar  der  Größe,  bestimmter  Unternehmen  Rechnung zu tragen. 
 Pressemittelung Nr. 61/19 des Gerichtshof der Europäischen Union